Und wieder einmal bestätigt sich eine alte Binsenweisheit: eine Staffel hat eigene Gesetze. Bei den Herren bescherten diese Gesetze dem Schweizer Herrenteam in einem spannenden Finale mit Bronze die dritte WM-Staffel Medaille hintereinander. Das Damen-Team erreichte den guten vierten Rang

Freude bei Simon Hellmüller
Es war eine Achterbahn der Gefühle für das Schweizer Herrenteam im Staffelrennen an der Bike-OL WM in Jicin. Mit einer eindrucksvollen Aufholjagd des Schlussfahrers Simon Hellmüller näherte sich die Schweiz mit fortschreitender Renndauer der zumindest erweiterten Spitze. Gold war zu diesem Zeitpunkt ausser Reicheweite, denn die favorisierten Tschechen trotzten den eigenen Staffelgesetzen und lagen souverän vor den ebenso souveränen Österreichern in Führung. Aus neunter Position gestartet überholte Hellmüller aber Fahrer um Fahrer und es schien nur eine Frage der Zeit, bis die Medaillenrränge erreicht waren. Sehr lange wehrte sich der Litauer Ignas Ambrazas gegen die Einholung. Kurz vor Beginn des urbanen Schlussteiles war es dann (beinahe) soweit. Doch der Litauer fand einen zweiten Atem und vermochte seinen Vorsprung wieder auszubauen. Dennoch, bei Posten 23 war es dann soweit: Hellmüller machte den anfänglichen Rückstand von 2:52 wett und lag auf dem Bronzeplatz.

Hochspannung und ein stockender Atem

Der Zuschauer lehnte sich erleichtert zurück und stellte den Champagner kühl. Bevor dieser (der Champagner) jedoch seine Betriebstemperatur erreichen konnte, stockte jenem (dem Zuschauer) der Atem: zu Posten 25 unterlief dem Winterthurer ein fataler Routenwahlfehler und die GPS-Übertragung zeigte, wie Ambrazas auf der südlichen Route unerbittlich an ihm vorbeizog. Zum nächsten Posten folgte gleich eine weitere suboptimale Route und so lag der Litauer vor dem einfachen, schnellen Schlussteil wieder unaufholbar in Front. Man sah sich schon das ungeliebte Bonmot "Wie gewonnen, so zerronnen" zu bemühen, denn Hellmüller fuhr schlussendlich zwar mit Tagesbestzeit, aber mit 18 Sekunden Rückstand auf Bronze ins Ziel, vorbei an den jubelnden Österreichern, welche sich über Silber freuten. Doch Staffeln haben eben doch eigene Gesetze: kurz darauf machte sich Konsternation beim Team unseres Nachbarn breit. Das unglückliche Österreich bzw. Andreas Waldmann verzeichnete auf der Schlussstrecke einen Fehlstempel und so rückte die Schweiz auf den dritten Rang vor. Tu Felix Helvetia!

Flurin Schnyder mit unerwartetem Debut auf der Startstrecke

Eigentlich wäre das Herren Elite-Debut von Flurin Schnyder erst auf nächstes Jahr geplant gewesen. Doch durch die krankheitsbedingten Ausfälle von Noah Rieder und Adrian Jäggi durfte der junge Berner schon heute zuvorderst auf der Startlinie stehen. Nach einer für ihn guten Fahrt übergab er mit über sechs Minuten Rückstand auf Rang 11. Auf der Schlussschlaufe hatte er noch einen Schreckmoment zu überstehen, als er einen platten Reifen einfing. Heutzutage ist dies allerdings relativ schnell behoben (Stichwort "Würmil") und so hilet sich der Zeitverlust im Rahmen. Dass aber sicher mehr möglich gewesen wäre zeigt auch das Resultate eines anderen Junioren auf der Startstrecke: Hannes Hnilica aus Österreich hielt hervorragend mit der Spitze mit und schuf mit nur 1:41 Minuten Rückstand und Rang 4 eine ausgezeichnete Ausgangslage für sein Team. Und diesem Hnilica musste sich Schnyder in den Einzelläufen schliesslich nur einmal, in der Langdistanz, geschlagen geben.

Silas Hotz hielt Schweiz im Rennen

Silas Hotz, der gestern mit einem sechsten Rang in der Langdistanz überzeugen konnte, zeigte wiederum eine Top-Leistung und hielt die Schweiz im Rennen. Auf der zweiten Strecke verlor er nur noch zusätzlich 51 Sekunden auf die führenden Tschechen und setzte mit der viertbesten Abschnittszeit seinen momentanen Höhenflug fort und steuerte damit einen wichtigen Beitrag zum Gewinn der Bronzemedaille bei.

Der Gewinn der Medaille ist umso erfreulicher, da mit Adrian Jäggi ein gesetzter und mit Noah Rieder der potentiell erste Ersatzfahrer krankheitsbedingt ausfielen und mit Schnyder Junior einspringen musste: dies lässt mit einiger Zuversicht in die nähere Zukunft blicken.

Damenstaffel auf dem überraschenden vierten Rang

Nichts von ihrem Können eingebüsst:
Christine Schaffner

In der Besetzung Celine Wellenreiter, Christine Schaffner und Ursina Jäggi ging das erste Damen-Staffelteam seit 2016 an den Start. Wie fast immer an dieser WM zeigte Wellenreiter eine gute Fahrt. Nach eigenen Angaben war sie aber gar nicht zufrieden, machte viele kleine Fehler und hatte leere Beine. Trotzdem übergab sie den virtuellen Stab an Altmeisterin und Nationaltrainerin Christine Schaffner an siebter Stelle liegend. Und diese zeigte, dass sie noch nichts von ihrem Können und der körperlichen Leistungsfähigkeit eingebüsst hat. Sie arbeitete sich kontinuierlich nach vorne und übergab an vierter Stelle an Schlussfahrerin Ursina Jäggi. Urplötzlich wurden beim Zuschauer Begehrlichkeiten geweckt, konnte Jäggi doch klar besser eingestuft werden als die nur unwesentlich vor ihr liegende Schwedin Eronn Mia. Doch die Zwischenrangliste zeigte auch, dass ihr mit der Einheimischen Martina Tichowska eine mehrfache WM-Medaillengewinnerin auf den Fersen war bzw. am Hinterrad klebte. So wurden die Plätze auf der Schlussstrecke wie erwartet getauscht was für das Schweizer Team in einem Nullsummespiel endete: Ursina Jäggi fuhr den guten und unerwarteten 4. Rang souverän nach Hause.

 

Hier gehts zu den Kurzinterviews von

Herrenteam: https://youtu.be/HnVAF-f7MvU
Damenteam
: https://youtu.be/6o3dfI1b-dc

Hier gehts zu den Resultaten und zum GPS-Tracking

(Text: Thomas Bossi, Bilder: Ueli Sieber, Interviews: Adrian Schnyder)